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Zahlungsverzug

Ordentliche Kündigung auch wegen Zahlungsrückständen aus Betriebskostennachforderungen

Rechtsanwalt Dr. Hans Reinold Horst, Hannover / Solingen

Mit dem Bezahlen hat es Wohnungsmieter M nicht so sehr - er verlässt sich da ganz auf das Jobcenter, dass ihm im Rahmen eines Sozialhilfeverhältnisses Kosten der Unterkunft und Heizungsbeihilfe gewährt. Wie in der Praxis häufig bleiben Zahlungen dann auf einmal aus. So auch hier. M zahlt zwei Monatsmieten nicht. Auch die Nachforderung aus einer Betriebskostenabrechnung bleibt er schuldig. Vermieter V kündigt fristlos, hilfsweise fristgerecht, wegen Zahlungsverzugs. Das Jobcenter begleicht nun die offenen Nettomieten einschließlich der Betriebskostenvorauszahlungen, nicht aber den Nachzahlungssaldo aus der Abrechnung. V klagt auf Räumung.

Kündigung rechtlich unwirksam

Das LG Berlin (Urteil vom 15.3.2023 - 64 S 180/21, FD-MietR 2023, 457289) weist die Klage ab. Die erklärte fristlose Kündigung (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) sei durch die vom Jobcenter innerhalb der Schonfrist erbrachten Zahlungen unwirksam geworden. Zur Schonfristzahlung gehörten nur die monatliche Nettomiete zuzüglich der Betriebskostenvorauszahlungen, nicht aber der Nachzahlungssaldo aus der erteilten Betriebskostenabrechnung. Denn hier handele es sich nicht um laufende Mieten im Sinne des §§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB (so auch: BGH, Urteil vom 23.7.2008 - XII ZR 134/06, NJW 2008,3 1210; OLG Koblenz, Rechtsentscheid vom 26.7.1984 - 4 W-RE-386/84, WuM 1984, 269).

Auch die gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB erklärte fristgemäße ordentliche Kündigung greife nicht durch. Eine Berufung hierauf sei rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB). Denn das Verschulden des Mieters M an der Entstehung des Kündigungsrückstandes sei als gering zu bewerten; vor allem sei der Kündigungsrückstand nach Zugang des Kündigungsschreibens sofort durch das Jobcenter ausgeglichen worden. Wenn auch die Schonfristzahlung die ordentliche Kündigung nicht erfasse (so auch: BGH, Urteil vom 13.10.2021 - VIII ZR 91/20, NZM 2022, 49), so lasse sie das Verschulden des Mieters doch insgesamt in einem „milderen Licht erscheinen“.

Nachzutragen bleibt: Mit seinem Urteil vom 15.3.2023 liegt das LG Berlin ganz auf der Linie der herrschenden Instanzenrechtsprechung (vgl. ebenso: LG Frankfurt/Main, Urteil vom 9.6.2023 - 2-11 S 13/23, ZMR 2024, 212; AG Mannheim, Urteil vom 18.7.2023 - 5 C 3319/22, ZMR 2024, 214; AG Frankfurt/Main, Urteil vom 21.06.2024 - 33052 C 64/24, IMR 2024, 373).

Einbezung von Nachzahlungssalden strittig

Der BGH lässt den Einbezug von Nachzahlungssalden in den Mietenbegriff in seiner Entscheidung vom 28. Mai 1975 (BGH, Urteil vom 28. Mai 1975 - VIII ZR 70/74, WuM 1975, S. 897 unter IV 3 b) und vom 20. Juli 2016 (BGH, Urteil vom 20. Juli 2016 - VIII ZR 263/14, DWW 2016, 291 = NJW 2016, 3231 = NZM 2016, 762 = ZMR 2016, 768 = MDR 2016, 1323 = WuM 2016, 620) nur anklingen. Er hat diese Frage bisher aber nicht ausdrücklich entschieden, sondern letztlich offen gelassen (BGH, Urteil vom 23. September 1987 - VIII ZR 265/86, WuM 1988, 125 = ZMR 1988, 16; BGH, Urteil vom 24 August 2016 - VIII ZR 261/15, NZM 2016, 765 = MDR 2016, 1257 = DWW 2016, 330 = WuM 2016, 658 = NJW 2016, 3437 = ZMR 2017, 30). Bislang ist die Frage eines Einbezugs von unbedienten Abrechnungssalden aus erteilten Betriebskostenabrechnungen in den Mietenbegriff streitig.

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Unterlassen von Nachzahlungen kündigungsrelevant?

Das LG Berlin bewertet Betriebskosten als Teil der Miete, so dass die unterlassene Begleichung einer Betriebskostennachforderung eine kündigungsrelevante Pflichtverletzung im Sinne von § 543 Abs. 1 BGB, bzw. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB darstellt (LG Berlin, Urteil vom 24.11.2015 – 63 S 158/15, zit. nach juris; jetzt auch LG Berlin, Urteil vom 15.3.2023 - 64 S 180/21, FD-MietR 2023,457289; AG Mannheim, Urteil vom 18.7.2023 - 5 C 3319/22, ZMR 2024, 214; LG Frankfurt/Main, Urteil vom 9.6.2023 - 2-11 S 13/23, ZMR 2024, 212; AG Frankfurt/Main, Urteil vom 21.06.2024 - 33052 C 64/24, IMR-online). Auch in einer älteren Entscheidung sieht das LG Berlin zwar in Nachzahlungen aus Nebenkostenabrechnungen keine laufenden Zahlungen im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB, nimmt aber eine Verletzung vertraglicher Hauptleistungspflichten des Mieters durch unterlassene Zahlung einer Nachforderung an und stellt diesen Fall deshalb dem kündigungsrelevant unterlassenen Zahlen der eigentlichen Miete gleich (LG Berlin, Urteil vom 20.2.2015 – 63 S 202/14, IMR 2015, 322). Im Ergebnis handelt es sich nach dieser Ansicht um ein kündigungsrelevantes Unterlassen des Mieters, das zur zahlungsverzugsbedingten fristlosen Kündigung berechtigt.

Die Gegenansicht begreift Nachforderungen aus jährlichen Betriebskostenabrechnungen dagegen nicht als Miete im Sinne des mietrechtlichen zahlungsverzugsbedingten Kündigungstatbestandes. Denn es handele sich bei Nachzahlungsforderungen aus Abrechnungssalden um eine isolierte einmalige Forderung, nicht um eine periodisch wiederkehrende Leistung, die zu bestimmten Terminen fällig werde. Sie regele nur abschließend einen konkreten Abrechnungszeitraum. Beide Kündigungsvarianten in § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB knüpften aber an einen Zahlungsrückstand zu bestimmten „Terminen“ an (Fleindl in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl. 2019, Kapitel IV Rn. 366). Auf eine Pflichtverletzung des Mieters durch Unterlassen der Nachzahlung wird dagegen nicht abgestellt (OLG Koblenz, Rechtsentscheid vom 26. Juli 1984 - 4 W-RE 386/84, NJW 1984, 2369 = ZMR 1984, 351 = WuM 1984, 269; Lehmann-Richter, Der kündigungsrelevante Zahlungsrückstand, Vortrag im Rahmen des Deutschen Mietgerichtstages 2017, abzurufen unter www.mietgerichtstag.de).

BGH-Urteil spricht für Berücksichtigung von Nachforderungen

Der BGH hat in einer Entscheidung zur Aufrechenbarkeit von Betriebskostennachforderungen gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch des Mieters entschieden, auch bei Betriebskostennachforderungen handle es sich um wiederkehrende Leistungen (BGH, Urteil vom 20.7.2016 – VIII ZR 263/14, DWW 2016, 291 = NJW 2016, 3231 = NZM 2016, 762 = ZMR 2016, 768). Zwar erging die Entscheidung auf der Basis des Verjährungsrechts, doch lässt sie sich für den hier gegebenen Kontext der zahlungsverzugsbedingten Kündigung ebenso fruchtbar machen. Sie spricht entscheidend dafür, nun auch Betriebskostennachforderungen neben Betriebskostenvorauszahlungen und eigentlichen Nettomietforderungen bei der Ermittlung kündigungsrelevanter Rückstände im Rahmen der fristlosen Kündigung zu berücksichtigen.

Kündigung aufgrund vertraglicher Pflichtverletzung

Nochmals: Für die fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB und für die fristgebundene zahlungsverzugsbedingte Kündigung stellen sich diese Fragen dagegen nicht. Denn hier gibt es keine bestimmten Höhen an eingetretenen Forderungsrückständen, die für eine Kündigung vorausgesetzt sind. Hier geht es nur um eine verschuldensgetragene nicht unerhebliche vertragliche Pflichtverletzung des Mieters. An dieser Annahme kann als Grundlage einer zahlungsverzugsbedingten fristgerechten Kündigung kein Zweifel bestehen, wenn der Mieter Nachzahlungssalden aufgrund einer wirksam erteilten Betriebskostenabrechnung nicht ausgleicht.

Anders ausgedrückt: Eine fristgebundene Kündigung wegen Zahlungsverzugs bleibt im Falle unerfüllter Betriebskostennachforderungen immer möglich. Natürlich bedeutet das nicht, dass einem Mieter immer gekündigt werden kann, wenn er den Nachzahlungssaldo nicht ausgleicht. Denn wenn er berechtigt Einwände formeller oder materieller Natur gegen die erteilte Betriebskostenabrechnung führen kann, muss er im Ergebnis auf diese Abrechnung auch nicht zahlen (dazu im Einzelnen: BGH, Beschluss vom 24 Januar 2017 - VIII ZR 285/15, IMR 2017, 182). Dann aber kann er auch nicht in Verzug geraten, bzw. begeht mit der unterlassenen Zahlung auch keine Pflichtverletzung.

Fazit

Eine erteilte Betriebskostenabrechnung ist immer als Vorfrage daraufhin zu überprüfen, ob sie formell und inhaltlich sowie innerhalb der Abrechnungsfrist korrekt ausgefertigt und zugestellt wurde.