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Miete und Dübellöcher

"Schweizer Käse"?

Rechtsanwalt Dr. Hans Reinold Horst

Wohnungsmieter M verwandelt die Mietwohnung mit insgesamt 200 Dübellöchern in einen „Schweizer Käse“. Natürlich, wie kann es anders sein: Bei Auszug verschließt er die Löcher nicht. Vermieter V beauftragt nach vergeblicher Aufforderung, die Dübellöcher zu verschließen, Malermeister K mit den Arbeiten. Dafür fallen 1311,74 € an, die V von der Kaution abzieht. M klagt auf Rückzahlung der Kaution in voller Höhe.

Ein Schadensersatzanspruch des V bestehe nicht, die Kaution sei daher in voller Höhe zurück zu zahlen, urteilt das AG Paderborn (Urteil vom 30.1.2023 - 51 C 35/22, IMR 2023, 450) „allen Ernstes.“. Denn zur vertragsgemäßen Nutzung der Mietwohnung gehöre es, zu Einrichtungs- oder Dekorationszwecken Dübellöcher in die Wände oder Zimmerdecken zu bohren. Voraussetzung: das übliche Maß der Nutzung dürfe nicht überschritten werden.


"Übliche" Nutzung?

Schon jetzt bleibt dem interessierten Leser des Urteils ganz buchstäblich „die Spucke weg“: Sind 200 Dübellöcher in einer Wohnung etwa noch „üblich“? Dazu der Paderborner Amtsrichter: Die Frage sei nach der Anzahl der Bewohner und nach der Ausstattung zu beurteilen, in der die Wohnung vermietet worden sei. So müssten (!) bei einer größeren Familie entsprechend mehr Dübellöcher akzeptiert werden als in einem Single-Haushalt. Mit diesem Gedankenansatz wurden die hinterlassenen 200 Dübellöcher, unter anderem 15 mal in der verfliesten Wand des Badezimmers (!) als noch zulässig abgehakt.

Hier kann man nur noch empört und heftig den Kopf schütteln: Wieso sollen mehrere Personen mehr Löcher machen dürfen als eine Person oder wenige Personen? Der Vertragszweck definiert die Nutzung der Mieträume „zum Wohnen“. Allein dieser Zweck legt fest, ob im Rahmen der Zweckverfolgung „zum Wohnen“ das Setzen von Dübellöchern erforderlich, geeignet oder allgemein üblich ist. Allein danach richtet sich die Akzeptanz eines solchen Vorgehens und die Beantwortung der Frage, ob Ort und Anzahl gesetzter Dübellöcher noch innerhalb des vertragsgemäßen Gebrauchs der Mieträume liegen oder nicht. Darauf werden wir weiter unten noch näher eingehen.
Und dieser Zweck bleibt, egal mit wie viel Personen die Räume genutzt werden.

Dabei ist klar, dass den Mieter eine Fürsorgepflicht und eine Obhutspflicht im Hinblick auf die Wohnung als wertvolles Vermögensgut, das ihm anvertraut wurde, treffen. Selbstverständlich darf er die genutzten Räume, ihre Ausstattungen und Einrichtungen nicht nach eigenem Gusto beschädigen und zum „Schweizer Käse“ umfunktionieren. Das gilt besonders für die Zerstörung der Wandverfliesung im Bad.

Nachfrist zur Reparatur

Von der Frage, ob Wände und Decken „noch im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs zulässig“ mit Schlagbohrmaschinen, Bohrhämmern und anderem dafür tauglichen Gerät perforiert werden dürfen oder nicht, ist die Frage zu unterscheiden, ob der Mieter bei Vertragsende seine „handwerklichen Engagements“ fachmännisch und nicht mehr sichtbar wieder beseitigen, sprich die gesetzten Dübellöcher wieder verschließen muss. Das Urteil setzt sich mit dieser Frage gar nicht erst auseinander. Denn der Vermieter habe es versäumt, „eine Nachfrist“ zu setzen; deshalb sei der Anspruch wohl nach Auffassung des AG Paderborn gar nicht erst entstanden und könne deshalb auch mit der Kaution nicht aufgerechnet werden.

Auch diese Einschätzung ist eklatant falsch! Zunächst handelt es sich hier um einen Schadensersatzanspruch aus Verletzung der vertraglichen Fürsorge- und Obhutspflicht für die Mietsache, wie ausgeführt. Dieser Anspruch wird ohne eine vorher gesetzte Frist fällig, wenn er geltend gemacht wird und wenn der Geschädigte dabei sein Wahlrecht ausübt, Schadensersatz in Geld oder aber eine Reparaturleistung durch den Mieter selbst zu fordern. Einer „Nachfrist“ bedarf es erst recht nicht.

Selbst wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung von einem Anspruch auf Vornahme von Reparaturarbeiten ausgeht, der erst in einen Schadensersatzanspruch in Geld umgewandelt werden muss, bevor er mit der Kaution verrechnet werden kann, bedarf es nur einer Ausführungsfrist mit der Androhung, die verlangten Arbeiten bei ergebnislos verstrichenen Fristende zu beauftragen und die Rechnung dafür zu präsentieren. Einer zusätzlichen Nachfrist bedarf es nach der Schuldrechtsreform im Jahre 2002 auch in diesem Fall nicht mehr.

Der Meinungsstand hierzu:

Beschränken sich angebrachte Bohr- und Dübellöcher auf einen üblichen Umfang und lassen sie sich durch einfache Renovierungsarbeiten unsichtbar und rückstandsfrei verschließen, liegt das noch im Bereich vertragsgemäßer Nutzung, deren Spuren eigentlich der Vermieter im Rahmen seiner Instandhaltungspflicht beseitigen muss.

Ihr Verschluss soll dann vom Mieter nach einer Auffassung nur verlangt werden können, wenn er dies im Rahmen der Schönheitsreparaturen schuldet. Ist er aber zu Schönheitsreparaturen nicht verpflichtet, weil zum Beispiel die Vertragsklausel unwirksam ist, dann soll er auch in diesem Fall angebrachte Bohrlöcher nicht beseitigen müssen (AG München, Urteil vom 18.12.2014 - 473 C 32372/13, ZMR 2014, 734 - bei 59 vorgefundenen Bohrlöchern!).

Nach der Gegenansicht soll es auf die Schönheitsreparaturverpflichtung des Mieters nicht ankommen. Dübellöcher sind nach dieser Auffassung also immer zu verschließen, um einen Rückgabezustand analog der Wohnungsübergabe anbieten zu können (BGH, Urt. v. 20.1.1993 – VIII ZR 10/92, DWW 1993, S. 74 ff; LG Hamburg, Urt. v. 17.5.2001 – 307 S 50/01, WM 2001, S. 359; AG Witten, Urteil vom 12.4.2018 - 2 C 684/17, IMR 2018, S. 324;:AG Rheinbach, NZM 2005, 822, 822 f; AG München, Urteil vom 18.12.2014 - 473 C 32372/13, ZMR 2014, 734; Slomian, in: Hannemann / Wegner, Münchener Anwalts Handbuch Mietrecht, 5. Aufl. 2019, § 31 Rn. 27, S. 1143,.wonach Dübellöcher auch ohne vertragliche Regelungen zu verschließen sein sollen, wenn sie nicht erst zur Montage von Einrichtungen und Ausstattungen zur Herstellung des vertragsgemäßen Gebrauchs gesetzt werden mussten; ebenso Artz / Börstinghaus, AGB in der Wohnraummiete, 2019, Rn. 297 S. 206 f, Sternel, NZM 2017, 169, 181). Ob die Dübel im Rahmen eines vertragsgemäßen Gebrauchs gesetzt worden sind oder nicht, bleibt für die Pflicht zum unkenntlichen Verschluss der Bohrlöcher unbedeutend. Wird diese Pflicht verletzt, verpflichtet dies den Mieter zum Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB (zur Behandlung von Dübellöchern und „anderen“ Bohrlöchern bei Ende des Mietverhältnisses insbesondere in der Situation der Wohnungsabnahme und im Rahmen von Renovierungsarbeiten (vgl. Specht, in: Lützenkirchen - Hrsg. - Anwaltshandbuch-Mietrecht, Teil H Rn. 335 S. 923 und Rn. 381 ff, S. 937 f).

Einer dritten Ansicht folgend soll eine Pflicht zur Beseitigung von Dübellöchern und anderen Bohrlöchern nur bestehen, wenn sie auf einem atypischen Nutzerverhalten beruhen (Eisenschmid, in: Schmidt-Futterer, Kommentar zum Mietrecht, 14. Aufl. 2019, § 535 BGB Rn. 318 und § 538 BGB Rn. 34; LG Berlin, GE 2014, 253). Dabei wird man abgesehen von gefliesten Wänden insbesondere auf die Anzahl gesetzter Dübellöcher abzustellen haben, sowie darauf, ob die damit fixierten Einrichtungen und Ausstattungen zu einer normalen Wohnnutzung gehören.

Schadensersatz oder noch vertragsgemäßer Gebrauch?

Schadensersatz und vertragsgemäßer Gebrauch ohne Schadensersatzfolge für den Mieter sind voneinander abzugrenzen, wenn Bohrlöcher / Dübellöcher gesetzt werden. Hält sich der Mieter mit Dübellöchern im Rahmen und geht er dabei ohne Zerstörung der Bausubstanz vor, gehören gesetzte Dübellöcher zum vertragsgemäßen Gebrauch (§ 538 BGB), wenn sie hinterher weder unsichtbar und rückstandsfrei verschlossen werden können. Andernfalls stellt sich das Thema „Schadensersatz“, insbesondere dann, wenn Wandfliesen durchbohrt werden. Zur Abgrenzung entscheidend ist,

  • wo die Bohrlöcher / Dübellöcher platziert worden sind,
  • in welcher Anzahl dies geschehen ist,
  • ob sie durch einfache Renovierungsarbeiten rückstandslos und unsichtbar entfernt werden können, und
  • ob beim Anbringen der Dübellöcher/Bohrlöcher Leitungen oder sonstige Ausstattungen und Einrichtungen der Mieträume außer den Wänden angebohrt wurden.

Dass bei dem letzten Unterpunkt Schadensersatz veranlasst ist, versteht sich von selbst (AG Witten, Urteil vom 12.4.2018 - 2 C 684/17, ZMR 2018, 679 - Gardinenhaken zum Anbringen von Plisseegardinen in den Glasleisten der Dachfenster).

Renovierungsarbeiten

Können Bohrlöcher im Zuge normaler Renovierungsarbeiten unsichtbar und rückstandsfrei verschlossen werden, so ist in der Regel von einem vertragsgemäßen Gebrauch auszugehen, ohne dass Schadensersatz veranlasst ist. Es kommt dann aber auf die Anzahl der Bohrlöcher an. Auch dazu einige Voten der Gerichte:

  • Schadensersatz wegen 5 Bohrlöchern in der Decke einer Küche im Essbereich (AG Waiblingen, Urteil vom 27 9. 2012 - 13 C 1621/08, ZMR 2013, 208 - verneint wegen vertragsgemäßer Nutzung).
  • Schadensersatzanspruch wegen 14 Bohrlöchern in der Küche zur Montage einer Arbeitsplatte, durch die 14 Fliesen beschädigt worden sind (AG Rheinbach, Urteil vom 7.4.2005 - 3 C 199/04, NZM 2005, 822 - nach Auffassung des Gerichts ordnungsgemäß und damit kein Schadensersatz; nach eigener Auffassung höchst zweifelhaft).
  • Schadensersatz wegen 50 - 60 Dübellöchern im Arbeitszimmer (AG Mönchengladbach-Rheydt, Urteil vom 2.8.2012 - 11 C 329/11, ZMR 2013, 724).

Geflieste Räume

Da in gefliesten Räumen wie zum Beispiel Bädern normale Renovierungsarbeiten nicht ausreichen, um Dübellöcher ordnungsgemäß und unsichtbar zu verschließen, sind dort Bohrungen nur erlaubt, wenn dies zum zweck- und damit vertragsgemäßen Gebrauch zwingend geboten ist, der Vermieter also nicht für eine zeitgemäße Mindestausstattung im Bad gesorgt hat. Alles, was darüber hinausgeht, ist haftungsauslösend. Zu dieser Rubrik gibt es folgende Urteile:

  • Schadensersatzanspruch wegen 6 Dübellöchern im Badezimmer zur Montage einer Duschabtrennung (AG Hannover, Urteil vom 22.8.2003 - 535 C 2521/03, juris - verneint, weil im Rahmen ordnungsgemäßer Badbenutzung geschehen),
  • Schadensersatzanspruch wegen 59 Dübellöchern in einem Badezimmer (AG Schöneberg, Urteil vom 12.3.2014 - 6 C 480/13, juris - bejaht, denn nach Auffassung des Gerichts sind in einem Bad Dübellöcher nur dann notwendig, wenn eine Leuchte, ein Handtuchhalter, ein Toilettenpapierhalter, eine Ablage, ein Spiegelschrank/Spiegel und gegebenenfalls ein Duschvorhang zu montieren sind),
  • Schadensersatzanspruch wegen 32 Dübellöchern in einem Bad (LG Hamburg, Urteil vom 17.5.2001 - 307 S 50/01, juris - verneint, da der Vermieter das Bad mit Toilette, Bidet, Waschbecken und einer Badewanne absolut minimalistisch ausgestattet hatte und der Mieter beim Einzug noch Halter für Spiegel, Spiegelkonsole, Spiegellampen, Handtuchhalter, Halter für Zahnputzgläser, für Seifenschalen, für Klopapierrollen, für Klobürste, sowie eine Duschstange und einen Haltegriff an der Badewanne montieren musste),
  • Schadensersatzanspruch wegen angebohrter 15 Fliesen, statt in die Fliesenfugen zu bohren (AG Köpenick, Urteil vom 5.10.2012 - 4 C 64/12, Grundeigentum Berlin 2012, 1639 - bejaht wegen Verletzung des Gebots möglichst schonenden Umgangs mit dem Mietobjekt).

Achtung: bei Schadensersatz kurze Verjährungsfrist beachten.

Hinweis

Besonders hinzuweisen ist auf eine nur 6-monatige Verjährungsfrist für Ansprüche auf Vornahme von Renovierungsarbeiten und auf Schadensersatz bei unterlassener Ausführung, aber auch auf Schadensersatz wegen Beschädigungen oder Verschlechterungen der Mieträume. Die Frist beginnt mit Rückgabe der Mieträume (§ 548 Abs. 1 Satz 1 BGB), nicht erst mit Vertragsende!

Lesetipp

Broschüre „Geld und Mietende“, 5. Auflage 2019, ISBN 978-3-96434-002-3, 390 Seiten DIN A5, Preis 21,95 € zuzüglich 3,00 € Versandkosten bei Einzelbestellung, zu beziehen über Haus & Grund Deutschland Verlag und Service GmbH, Berlin, Tel.: 030/20216-204; Fax: 030/20216-580; Internet www.hausundgrundverlag.info ; E-Mail: .